In unserer heutigen Gesellschaft gibt es Eltern, die sich einer bewundernswerten Herausforderung gestellt haben: Adoptiv- und Pflegefamilien. Diese Eltern haben sich bewusst entschieden, Kindern mit unterschiedlichen kulturellen und familiären Hintergründen ein liebevolles Zuhause zu geben. Ihre bedingungslose Liebe und Hingabe verdienen höchste Anerkennung, insbesondere wenn diese Kinder weitere besondere Herausforderungen wie z.B. AD(H)S mitbringen.
Besondere Kinder mit besonderen Bedürfnissen
Adoptiv- und Pflegekinder haben statistisch gesehen eine höhere Wahrscheinlichkeit, auf AD(H)S diagnostiziert zu werden. So zeigen unterschiedliche Studien, dass etwa 10 bis 25% der Pflegekinder mit AD(H)S diagnostiziert werden, im Vergleich zu etwa 5% in der allgemeinen Bevölkerung. Andere Studien zeigen, dass bei den biologischen Eltern von Adoptivkindern die AD(H)S-Rate bei ca. 18% liegt. Bei den biologischen Geschwistern der adoptierten Kinder mit AD(H)S beträgt diese immerhin 31%. Diese höhere Prävalenz verdeutlicht, dass eine AD(H)S insbesondere bei adoptierten Kindern primär auf genetische Faktoren zurückzuführen ist, wobei umweltbedingte Faktoren natürlich Einfluss auf die Ausprägung einer AD(H)S haben.(siehe Quellenangaben am Ende)
Die Rolle der Adoptiv- und Pflegeeltern
Seit Februar dieses Jahres hatte ich die Ehre, für den Verein Adoptiv- und Pflegefamilien Mannheim e. V. – kurz: APFEL ([Website](https://www.apfel-mannheim.de)) tätig zu sein. Interessierte Eltern von Adoptiv- und Pflegekindern mit einer AD(H)S-Diagnose haben in insgesamt 12 Kurseinheiten viel über das Thema AD(H)S gelernt, um ihre Kinder noch besser zu verstehen und zu unterstützen.
Meine Gruppe war sehr bunt und interkulturell - sowohl die Adoptiv- und Pflegeeltern als auch deren Kinder. Die Eltern haben Kinder mit afrikanischen, asiatischen und europäischen Wurzeln als ihre eigenen angenommen. Beispielsweise wird ein Kind mit afrikanischen Wurzeln zweisprachig italienisch/deutsch erzogen, weil die Adoptiveltern aus Italien stammen. Es gibt Eltern, die mehrere Kinder adoptiert haben, wobei ein Kind deutsche Wurzeln hat und das andere afrikanische und sie sich ganz selbstverständlich als Geschwister sehen.
Die Herausforderungen für die Adoptiv- und Pflegeeltern sind genauso vielfältig: Darunter zählen die Kontakte zu den Herkunftseltern, wobei längst nicht allen Eltern Informationen über die Herkunftsfamilien ihrer Kinder zugänglich sind. Auch der Umgang mit Traumatisierungen, FASD (Fetal Alcohol Spectrum Disorders) oder eben auch AD(H)S der Kinder im Alltag gehören dazu. Trotz dieser Herausforderungen war die überbordende Liebe für ihre Kinder immer zu spüren und hat mir zahlreiche Gänsehaut-Momente verschafft. Diese Eltern leisten Unglaubliches und zeigen, was mit Hingabe und Engagement alles möglich ist.
Im Grundlagenkurs haben die Adoptiv- und Pflegeeltern gelernt, AD(H)S als neurodiverse Persönlichkeitsausprägung zu verstehen und sich gegen Vorurteile und Stigmatisierung zu wappnen. Im Aufbaukurs konnten sie dieses Wissen anwenden und konkrete Strategien entwickeln, um Herausforderungen im Alltag zu meistern. Die Fallbearbeitungen und der Austausch in der Gruppe haben dazu beigetragen, praktische Lösungen für schwierige Situationen zu finden. Besonders wichtig ist mir dabei das Verständnis der Funktionsweise von AD(H)S bei den Eltern, um ihre Haltung gegenüber den AD(H)S-bedingten Herausforderungen ihrer Kinder ändern und die AD(H)S-bedingten Stärken erkennen und fördern zu können. Mindestens genauso wichtig ist das Thema Selbstfürsorge bei den Eltern, um die Kraft und Energie jeden Tag aufs Neue aufbringen zu können. Dafür haben wir unter anderem Techniken wie achtsamkeitsbasierte Übungen genutzt.
Ein inspirierendes Beispiel
Es ist beeindruckend zu sehen, wie Adoptiv- und Pflegefamilien mit den besonderen Herausforderungen, die AD(H)S mit sich bringt, umgehen. Ihre Hingabe und ihr Engagement sind ein leuchtendes Beispiel für uns alle. Diese Eltern leisten einen unschätzbaren Beitrag für die Gesellschaft und verdienen meinen größten Respekt und meine Anerkennung. Lasst uns diese besonderen Familien unterstützen und ihre unglaubliche Arbeit anerkennen. Denn, jedes Kind verdient es, geliebt und gefördert zu werden – ungeachtet seiner Vorgeschichte oder seiner Besonderheiten.
Quellenangaben:
1. "ADHD Symptomatology, Executive Function and Cognitive Performance Differences between Family Foster Care and Control Group in ADHD-Diagnosed Children" - MDPI. [Link](https://www.mdpi.com/children)
2. "ADHD Occurs More Often with Children in Foster Care Systems. Here's Why" - CHADD. [Link](https://chadd.org)
3. "Trauma and ADHD Co-Exist in Foster Children" - CHADD. [Link](https://chadd.org)
4. „ADHS bei Kindern und Erwachsenen – eine neue Sichtweise” – Thomas E. Brown, Hogrefe 2018